Hauptsache klare Regeln

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Rechtsextreme dürfen nach der Haft weiter hetzen[1]

Nein, das dürfen die nicht. Sie dürfen ihre Meinung sagen, aber Hetze steht nach wie vor unter Strafe – und das ist auch gut so. Aber die WELT ficht das natürlich nicht an: Neonazis hetzen immer. Selbst wenn sie bloß „Guten Tag“ sagen. Das ist eine extreme Meinung.

Was mir absolut neu war, ist, dass es ein tatsächlich ein Schreibverbot gibt, das sich ausdrücklich auch auf nicht verbotene Inhalte erstreckt. Bisher dachte ich, so etwas hätte es nur unter den Nazis gegeben, nun muss ich erfahren, dass auch die Bundesrepublik sich derartiger Methoden bedient.

Gott sei Dank gibt es ein Verfassungsgericht, dass jene zurückpfeift, die glauben, Meinungsfreiheit existiert nur für sie persönlich, die deswegen alle anderen Meinungen für kriminell halten, die weggesperrt gehörten.

Beim genauen Hinschauen stellt sich dann doch Erleuchtung ein. Meinungsfreiheit? Glücklicherweise nicht! Nach dem Urteil kann der Staat ein Publikationsverbot erteilen, welches sich zwar nicht auf Inhalte, aber auf konkrete Medien bezieht. Der Staat kann dem Delinquenten tatsächlich die Medien vorschreiben, in denen er nicht publizieren darf.

Hauptsache klare Regeln. Es muss klar zu erkennen sein, was verboten ist und was nicht.

Ich bin nicht gegen Zensur oder für absolute Meinungsfreiheit; ein Gemeinwesen kann auf beides nicht verzichten, wenn es reibungslos funktionieren soll. [2] Über Verbotenes schreibe ich nicht, auch wenn ich privat dezidiert anderer Meinung bin. Ich bin schließlich kein Aufrührer oder Unruhestifter, geschweige ein Revoluzzer.

Insofern halte ich das Beharren des Verfassungsgerichtes auf klaren Regeln, statt Gummiparagrafen, für richtig und wichtig: Gerade Diktaturen leben von der Willkür der Interpretation, dass man nicht genau weiß, was strafbar ist und was genau nicht. Die jüngste Ausweitung des „Volksverhetzungspargrafen“, die jeden Richter befähigt, einem Angeklagten das Wort im Maule drehen, ist so ein Kaugummifall.

Als Christ ist man vor Verfolgung nicht mehr sicher, stehen doch viele Paragrafen des Glaubens im Widerstreit zur aggressiver werdenden Moderne, die es nicht gern sieht, dass man ihren Paradigmen widerspricht. Wann wird die Bibel verboten? Das ist keine rhetorische Frage. [3]

Ich hoffe bloß, dass jemand die tiefe Ironie der Situation erkennt: Ein Neonazi erstreitet uns – ja uns – ein Stück Meinungsfreiheit zurück, die der Staat unangemessen einschränken wollte. Mein Gott, wo leben wir, dass ein Freiheitsfeind uns unsere Freiheit zurück erkämpfen muss? Im Übereifer schlägt dieser Staat tot, was er zu verteidigen vorgibt und wird seinen Erzfeinden genau dadurch immer ähnlicher. Die dümmliche Schlagzeile der WELT beweist das.

Ach ja, der Disclaimer: Nationalsozialismus ist, wie jeder Sozialismus, Scheiße. Das sage ich nicht, weil ich mich bei der staatlichen Antifa lieb Kind machen will. Nein, das kommt aus der Tiefe meiner erzreaktionären Seele. Denn – ich weiß nicht mehr genau, welcher katholische Kirchenfürst diesen genialen Satz formulierte – unter weißen Diktaturen kann ein Christ leben, unter Roten nicht.

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[1] Urteil: Rechtsextreme dürfen nach der Haft weiter hetzen; WELT ONLINE.
[2] Lob der Zensur
[3] Wer heute praktizierte Homosexualität als Sünde bezeichnet, der kann gegebenenfalls wegen „Volksverhetzung“ angeklagt werden. Der Ausweitung des „Volksverhetzungsparagrafen“ gibt das her.

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Eine Antwort to “Hauptsache klare Regeln”

  1. .U. Says:

    weiß?
    Was meint das? Apolitisch?

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