Wahre Schönheit kommt von innen. Das dachte sich wohl auch Nick Veasey und machte sich diesen Spruch kurzerhand zur Leitlinie seines beruflichen Schaffens. „Fast nichts ist für mich schöner, als die innere Schönheit eines Objekts freizulegen. Das Unsichtbare wird sichtbar, das Innenleben wird erkennbar“, sagt Veasey. Doch als der Fotograf zur Kamera griff, standen ihm nicht etwa hübsche und weniger hübsche Frauen Model. Vielmehr will der gebürtige Londoner den Gegenständen des Alltags auf den Grund gehen. Dafür hat er einen sehr technischen, aber überaus beeindruckenden Weg gefunden: Denn Veasey fotografiert mit einem Röntgenapparat. Nun liegt sein neuester Bildband „X-Ray. Die Schönheit des Verborgenen“ im Rolf Heyne-Verlag auf Deutsch vor.[1]
Ein ziemlich alter Hut. Ich meine mich zu erinnern, dass irgendein durchgeknallter Fotograf ein Liebesakt per Röntgenstrahl auf die Platte bannte: Das Ergebnis war ziemlich morbide. Wer möchte schon zwei menschliche Gerippe beim Sex in Missionserstellung sehen?
Allenfalls sind die Bilder ein neuer Beweis für die intellektuelle Impotenz moderner Kunst: Sie lebt schon seit geraumer Zeit fast ausschließlich der Ausbeutung der Vergangenheit. Für solche Bilder können sich nur Menschen begeistern, die sich nicht wirklich dafür interessieren, wann die Röntgenstrahlung tatsächlich entdeckt wurde: am 8. November 1895. Seitdem sind die X-Strahlen Thema in allen Kunstgattungen. Also ein wirklich alter Hut.
Ironisch sei angemerkt: Einer der ersten „Anwendungen“ waren Versuche, Neger durch Bestrahlung zu „Weißen“ zu machen. Es war damals der Neger eigener Wunsch, so wie heute Weiße in Bräunungsstudios strömen, um sich Hautkrebs zu holen. „Schönheit“ hat seinen Preis.
[1] Ein Fotograf röntgt die Welt: X-Ray: Die Schönheit des Verborgenen – Hintergründe – Gesellschaft – FAZ.NET.