Die Folter und der Pfeffersack

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Beim lesen dieses Beitrages: „CIA folterte Top-Terrorist Scheich Mohammed fast 200-mal“, fiel mir ein Passage ein, die ich in Bookmanns „Einführung in die Geschichte des Mittelalters“ gelesen hatte und die sich mit Einführung der Folter in hochmittelalterliche Rechtssystem befasst.

Mit der Ausweitung des Fernhandels musste das mittelalterliche Recht deshalb modernisiert werden, weil sich sein Gebrauch als unpraktikabel erwies:

Nach herkömmlichem Recht ist der Richter, zugespitzt gesagt, gar nicht daran interessiert zu wissen, ob derjenige, der eines Verbrechens angeklagt wird, dieses auch tatsächlich begangen hat. DerRichter hat nicht die Aufgabe, die Wahrheit zu ergründen, sondern dafür zu sorgen, daß die Beweise in der richtigen Weise erbracht werden. Beweis aber ist fast immer der Eid, und die Aufgabe des Richters liegt darin zu entscheiden, welche Partei zuerst schwört undin welcher Form der Eid zu leisten ist – von der Gerichtspartei allein oder noch von einer bestimmten Zahl sog. Eideshelfer. Gelang der Eid, so war der Streit entschieden. Gelang er nicht, z.B. dadurch, daß die Gegenpartei dem Schwörenden die Hand wegriß, so mußte der Zweikampf vor Gericht entscheiden.

Die entsprechen Urteile waren in etwa so geregelt, wie in folgender Passage beschrieben:

Die Tötung oder Verwundung des Friedensbrechers bleibt straflos, falls der Täter mit sechs Eidhelfern (selb sibende) beweisen kann, dass er tatsächlich einen Friedensbrecher bei der Tat oder auf der Flucht verwundete.

Eidhelfer waren in der Regel nahe Verwandte oder Hintersassen des Grundherren.

Ein Kaufmann gerät öfter in Rechtsstreitigkeiten als ein Grundherr – der Zweikampf als Form der Rechtsentscheidung wird dann unerträglich, wenn man sich ihm in kurzen Abständen immer wieder unterziehen muß.

Hinzu kam, dass ein in der Fremde weilender Kaufmann kaum genügend Eidhelfer fand. Das Rechtssystem musste also modernisiert werden. Man schaffte daher den Zweikampf ab und an die Stelle der Eidhelfer trat das der Tatzeuge. Die Wahrheitsfindung trat nun in den Vordergrund des als „inquirere“ (Untersuchung) bezeichneten Verfahrens.

Es entsteht der Inquisitionsprozeß und mit ihm ein dem herkömmlichen Recht fremdes Verfahren, der von den Kaufleuten geforderten schnellen Sachverhaltsermittlung: Die Folter. Die Einführung der Folter ist Teil eines Modernisierungsvorgangs gewesen.

Interessant nicht war, wem man dieses Instrument zur „Wahrheitsfindung“ verdankt: dem Pfeffersack. Von wegen Kirche oder  Pfaffe.

Quelle: Hartmut Boockmann; Einführung in die Geschichte des Mittelalters; Verlag C. H. Beck München; 5. Auflage; 1992

Fernando Botero, Abu Ghraib

Fernando Botero, Abu Ghraib

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